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Medienmitteilung: Bundesteilhabegesetz: Noch ein weiter Weg bis zu echter Teilhabe

Medienmitteilung vom Landesverband NDS 16.12.2016

Bundesteilhabegesetz: Noch ein weiter Weg bis zu echter Teilhabe

(Hannover 16.12.2016) Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. und der Lebenshilfe Landesverband Niedersachsen e.V. begrüßen die Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes durch den Bundesrat. „Die jetzt beschlossene Fassung beinhaltet wichtige Änderungen, für die sich unsere Verbände, vor allem aber unzählige Menschen mit und ohne Behinderung in den vergangenen Monaten starkgemacht haben“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „Aber nach wie vor enthält das Gesetz Passagen, an denen wir Kritik üben müssen.“ Holger Stolz, Geschäftsführer des Lebenshilfe Landesverbands Niedersachen e.V., sieht das ähnlich: „Das Gesetz geht nicht weit genug“, sagt er. „Echte Teilhabe von Menschen mit Behinderung wird dadurch noch nicht möglich. Deshalb werden wir uns auch in Zukunft für Verbesserungen einsetzen.“

„Die vielen Protestaktionen in diesem Jahr haben gezeigt, dass Menschen mit Behinderung ein Teil unserer Gesellschaft sind“, sagt Birgit Eckhardt, „und dass sie für ihre Rechte zu kämpfen bereit sind. Dass die Bundesregierung den Gesetzentwurf an 68 Stellen nachgebessert hat, das können sie sich ans eigene Revers heften.“ Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen können weiterhin parallel in Anspruch genommen werden; zwangsweise Umzüge ins Pflegeheim aus Kostengründen werden unwahrscheinlich; die Arbeitsförderung für Beschäftigte in den Behindertenwerkstätten wird verdoppelt: „Es ist sehr erfreulich, was wir gemeinsam erreicht haben“, sagt Holger Stolz. „Aber der Protest darf jetzt nicht enden.“

Denn es steht weiterhin im Gesetz, dass Menschen ein „Mindestmaß verwertbarer Arbeitsleistung“ erbringen können müssen, um einen Platz in einer Behindertenwerkstatt zu erhalten. Auch die „Wirksamkeitsprüfung“ von Maßnahmen der Eingliederungshilfe ist immer noch vorgesehen, und das umstrittene „Poolen“ wurde zwar für Leistungen im Wohnumfeld gestrichen, gilt aber immer noch für Freizeitmaßnahmen. „Wenn ein Betreuer vier Menschen begleiten muss, wollen zwei zum Fußball, einer auf den Weihnachtsmarkt und der vierte ins Kino“, sagt Holger Stolz. „Dann gibt es Zwangslösungen. Mit einem selbstbestimmten Leben, mit Teilhabe, hat das nichts zu tun.“

„Dass Bundestag und Bundesrat das Gesetzt jetzt verabschiedet haben, ist ein erster Schritt“, sagt Birgit Eckhardt. „Nun müssen wir uns erst einmal dafür einsetzen, dass hier in Niedersachsen das Gesetz auch gut umgesetzt wird. Dann gilt es weiter daran zu arbeiten, dass Menschen mit Behinderung endlich ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft werden.“

Mit dem Bundesteilhabegesetz plant das Arbeitsministerium die größte Reform der Behindertenhilfe seit Jahrzehnten. Allerdings steht das Gesetzesvorhaben seit Monaten in der Kritik. Nicht nur Verbände und politische Gremien, sondern vor allem Behinderte selbst protestieren dagegen. Allein bei einer Demonstration im September gingen in Hannover mehr als 7000 Menschen gegen das Gesetz auf die Straße, die meisten davon selbst Menschen mit Behinderung. Organisiert hatte diese Kundgebung das Bündnis aus dem Paritätischen und seinen Mitgliedsorganisationen Lebenshilfe Landesverband Niedersachsen e.V., Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen e.V., und Sozialverband Deutschland Landesverband Niedersachsen e.V. Beteiligt waren außerdem die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte, der Landesverband der Bewohnervertretungen, der Sozialverband VdK Niedersachsen, der DGB Niedersachsen und das Deutsche Taubblindenwerk Niedersachsen sowie das Forum Artikel 30.

Die LEBENSHILFE Landesverband Niedersachsen e.V. wurde am 13. Oktober 1962 von 10 Orts- und Kreisvereinigungen gegründet. Heute gehören dem Landesverband 115 Mitgliedsorganisationen an. Über 75 % aller in Niedersachsen tätigen teilstationären Eingliederungseinrichtungen haben sich im Landesverband der LEBENSHILFE als ihrem Dach- und Fachverband zusammengeschlossen. Die LEBENSHILFE ist Elternvereinigung, Fachverband und Trägerin von Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung. Der Selbsthilfegedanke hat dabei große Bedeutung. Über die Akademie für Rehaberufe bietet die LEBENSHILFE Fortbildungen insbesondere für Fachkräfte, Menschen mit Behinderung und Angehörige an. Mit Standorten in Hildesheim, Wildeshausen und Hannover ist die LEBENSHILFE Niedersachsen Ausbilder in der Heilerziehungspflege in Niedersachsen. Die Geschäftsstelle des Landesverbandes der LEBENSHILFE hat ihren Sitz in Hannover.
Letzte Änderung amFreitag, 08 September 2017 12:16